Neunzig Minuten lang wurde taktiert, die Deckung stand, kaum Torchancen. 0:0. Keine Entscheidung. Doch eine Entscheidung muss her. Die Spieler, ermattet liegen sie auf dem Rasen, müssen noch einmal ran: zweimal 15 Minuten, damit das ungerechte Elfmeterschießen womöglich noch vermieden werden kann. Die Spieler sollen, bitte!, ein Tor schießen. Das Drama namens Fußball ausreizen.
Es gab, man verzeihe die Floskel, Sternstunden des Spiels, die wir nur der Verlängerung verdanken. Tore, die fielen, da Strategie und Konzentration mangels Kraftreserven zusammenbrachen und das passierte, was heute so selten im Fußball passiert: ein Tor. Wie schnöde wäre ein Elfmeterschießen im Vergleich zum Wembley-Tor gewesen! Gefallen 1966 in der Verlängerung. Und hätten die Deutschen bei der letzten WM im Halbfinale gegen Italien per Elfmeterschießen gewonnen, statt in der Verlängerung zu verlieren, wäre das ein fader Sieg gewesen. Sollte die Verlängerung wegfallen, wir würden in diesem Ausmaß nie mehr erblicken: Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs. In der Verlängerung befindet sich das Spiel im Ausnahmezustand: Zidane ließ sich, ziemlich gestresst, zu einem unschönen, aber legendären Kopfstoß hinreißen.
Fifa-Präsident Joseph Blatter hat sich gerade für die Abschaffung der Verlängerung ausgesprochen. Deshalb diese Vorrede. Um aufzuzeigen: Das ist eine ungeheuer schlechte Idee.
Adam Soboczynski, Die Zeit, Nr. 30, 19. Juli 2007