22.01.2006 21:35

Auch der Fußball muss auf Frauen setzen

Interview mit Prof. Dr. Christian Wopp von der Universität Osnabrück über Trends und Entwicklungen im Sport, veröffentlicht in den Osnabrücker Nachrichten vom Sonntag, dem 22. Januar.2006.

Prof. Dr. Wopp, Sie beschäftigen sich seit längerer Zeit mit Trends im Sport. Lässt sich kurz und knapp sagen, wie unsere Sportwelt von morgen aussieht?

Sie wird vermutlich dominiert von den 40-jährigen aufwärts. Das hängt mit der Bevölkerungsentwicklung zusammen. Und die 40-jährigen aufwärts werden vorrangig Ausdauersportarten betreiben, weil man sich hier noch verbessern kann – auch in höheren Alter. Dominierend werden auch Gesundheitsangebote sein, zum Beispiel Rückenschule oder Stabilisierungen des Herz-Kreislauf-Systems.

Gibt es unterschiedliche Trends in den Städten im Vergleich zu ländlichen Regionen?

Wir beobachten eigentlich keine großen Unterschiede mehr, weil die Medien so einflussreich sind, dass selbst in ländlichen Regionen das, was an Trends vorhanden ist, aufgenommen wird. Wir haben aber im ländlichen Raum ein stärkeres Konservieren von Tradition, die in den verschiedenen Kommunen von immer schon da waren. Das sind zum einen die regionalen Sportarten. Nehmen Sie nur das Bosseln in nördlicher Regionen. Es gibt Hochburgen im Handball und Fußball. Das hält sich in den ländlichen Regionen häufig viel besser als in den städtischen Zentren.

Wird es künftig populärer sein, aktiv in einen Sportverein einzutreten oder individuell für sich in die berühmte „Muckibude“ zu gehen?

Der ganz große Boom-Faktor wird das individuelle Für-sich-Sporttreiben sein – sogar noch außerhalb von „Muckibuden“ und Sportvereinen. Die Fitnesscenter werden dagegen in den nächsten Jahren erhebliche Probleme bekommen, denn sie haben schon jetzt Mitgliederrückgänge zu verzeichnen. Das hängt einfach damit zusammen, dass das selbst organisierte Sporttreiben die kostengünstigste Variante ist.

Was werden in fünf oder zehn Jahren die dominierenden Sportarten sein? Und welche Sportarten sind dagegen rückläufig oder gar vom Aussterben bedroht?

Den Ton angeben werden alle Sportarten, die etwas mit Ausdauer zu tun haben. Das sind Walking, Laufen, Schwimmen, Inline-Skating, Fahrradfahren, und im Wintersport wird es zum Beispiel Skilanglauf sein. Ob Sportarten aussterben werden, da bin ich sehr vorsichtig, weil es auch noch Regionen gibt, in denen zum Beispiel Faustball, Ringtennis oder Korfball gespielt werden. Das gibt es alles, aber es wird ein randständiges Dasein fristen.

Unsere Bevölkerungsstruktur verändert sich gravierend. Deutschland wird zunehmend älter. Wie wirkt sich dieser demografische Wandel auf die Sportwelt aus?

Erstens: Wir haben immer weniger Kinder, aber diese Kinder werden immer wichtiger. Wir dürfen sie auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden nicht verlieren. Im Bereich des Kindersports werden deshalb Themen wie das Abnehmen oder psychomotorische Förderung immer stärker an Bedeutung gewinnen. Wir beobachten im Moment, dass viele Kinder motorische Störungen oder gesundheitliche Probleme haben. Das können wir uns vermutlich auf Dauer gesellschaftlich nicht mehr leisten. Zweitens: Im Rahmen des demografischen Wandels werden die Frauen immer stärker. Sie werden mit zunehmenden Alter sportaktiver. Männerlassen dagegen mit steigendem Alter in ihren Aktivitäten eher nach. Wenn Sie sich einmal ein Gesundheitsangebot in einem Sportverein anschauen, da finden Sie sehr viele Kurse, an denen überwiegend Frauen teilnehmen. Tendenz steigend. Die Zukunft des Sports wird also auch sehr stark weiblich sein.

Was bedeutet das für die Planung und die Angebote der zahlreichen Vereine sowie für die Sportstättenentwicklung in unseren Städten und Gemeinden?

Bleiben wir einen Moment bei den Sportarten. Das bedeutet, dass zum Beispiel auch der Fußball künftig sehr stark auf die Frauen setzen muss. Bei den Männern sind hier kaum noch Zuwächse zu verzeichnen. Wenn man überhaupt bei den rückläufigen Kinderzahlen noch seinen Mitgliederbestand halten will, dann muss der Deutsche-Fußball-Bund vor allen versuchen, gezielt Frauen zu erreichen. Auf dem Gebiet der Sportstätten werden künftig immer weniger große, dreiteilbare Hallen gebrauchen – zumindest nicht mehr in dem Umfang wie bisher. Wir benötigen stattdessen Gymnastikräume, überschaubare Räume – und wir benötigen eine bewegte Stadt. Also eine Stadt, die Fahrradwege, Laufstrecken und Strecken für das Inline-Skating hat, weil ja der Ausdauerbereich immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Haben Sie das Gefühl, dass das bereits in den Köpfen von Verwaltungsmitarbeitern, Kommunalpolitikern und Vereinsfunktionären angekommen ist?

Bedingt. Sicherlich gibt es in vielen Vereinen und Fachverbänden die Vorstellung, man kann so weitermachen wie bisher, ohne dass man dabei sieht, wie die Bevölkerungsstruktur sich momentan verändert. Das wird aber Probleme geben. In Osnabrück speziell haben wir schon vor einiger Zeit für die Stadt einen Sportentwicklungsplan gemacht. Da hatte ich da Gefühl, dass innerhalb des Stadtsportbundes, der Verwaltung und den politischen Gremien zumindest die Probleme gesehen werden. Das es noch nicht zu einer konkreten Umsetzung in vielen Fällen gekommen ist beziehungsweise kommt, ist vielleicht auch ein Prozess, der noch ein paar Jahre reifen muss.

Der Sport in einem Verein kostet Geld in Form von Mitgliederbeiträgen. Die Kommunen müssen den Sportstättenbau und die Sportstättenentwicklung aus „leeren Kassen“ bezahlen. Wird der Sport die Bürger künftig mehr Kosten?

Da bin ich sehr sicher, dass wir noch höhere Kosten haben werden – auch in den Vereinen. Das hängt einerseits mit den Sportstätten zusammen. Wenn die Vereine sich absichern wollen, werden sie nicht drum herumkommen, auch einige kommunale Sportstättenganz zu übernehmen oder sie selbst zu bewirtschaften. Viele Vereine müssen sich außerdem noch stärker professionalisieren. Gesundheitstrainer bekommt man eben nicht zum Nulltarif. Das wird alles über die Mitgliedsbeiträge geregelt werden müssen. Von daher werden auch in vielen Sportvereinen in den kommenden Jahren wahrscheinlich die Beiträge steigen.

 

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